11.05.2020 Von: Schwarwälder Bote

Kaum jemand kennt Bürgerstiftung


Rudolf Reim heißt der neue Mann an der Spitze des Fördervereins der Bürgerstiftung Villingen-Schwenningen. Was er vorhat und wie er frischen Wind in die Bürgerstiftung bringen will, das verrät er im Interview mit dem Schwarzwälder Boten.

Herr Reim, Sie sitzen ja jetzt in verantwortungsvoller Position...

Ja, aber man muss da sehr genau unterscheiden: Es gibt die Bürgerstiftung und den Förderverein der Bürgerstiftung. Der Förderverein ist quasi die Gruppe, die die Stiftung trägt. Daneben gibt es die Stiftung selbst als Organ, das dann Projekte oder Personen gezielt fördert. Ich wurde zum Vorsitzenden des Fördervereins gewählt – nach außen hin ist das vielleicht für manche schlecht zu unterscheiden.

Was macht denn dann der Förderverein im Gegensatz zur Stiftung?


Er sammelt beispielsweise Spendengelder ein oder motiviert Leute, mitzumachen. Das ist die Einheit, die im Grunde genommen, die Menschen zusammenbringt und Geld einsammelt und dieses dann zu 100 Prozent der Stiftung zuführt.

Wie kamen Sie denn überhaupt auf die Idee, sich hier engagieren zu wollen?


2018 gab es beim Land die Möglichkeit, sich als Bürgermentor ausbilden zu lassen. Dazu habe ich mich angemeldet. Ein Baustein dessen war es auch, andere Bürger dazu zu motivieren, sich mit bürgerschaftlichem Engagement einzubringen.

Also eigentlich das, was der Förderverein tut?

Ja! Und für mich war von Anfang an klar: Irgendetwas im bürgerschaftlichen Ehrenamt möchte ich tun. Als ich dann an der "Langen Tafel" zufällig am Tisch von meiner Vorgängerin Sabine Streck saß, hat sie mir einen Flyer der Bürgerstiftung in die Hand gedrückt. Es war purer Zufall, dass wir hier zusammengekommen sind. Aber "Lange Tafel" und Bürgerstiftung, beides verbindet! (lacht)

Sie hat Sie also vom Fleck weg für die Bürgerstiftung beziehungsweise den Förderverein gewonnen?

Ich habe gedacht, ich mache erstmal gar nichts und stecke den Flyer nur ein. Als ich ihn mir dann aber angeschaut hatte, fand ich das gut und beschloss, mitzumachen. Ich bin dem Förderverein beigetreten, was erstmal nur die Auswirkung hat, dass ich 25 Euro im Jahr bezahle und dafür eine Spendenbescheinigung bekomme.

Doch dabei ist es nicht geblieben...

Stimmt. Der Förderverein kam auf mich zu und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, mich darüber hinaus zu engagieren. Das konnte ich – ich kenne Stiftungen, die getragen werden von der Bürgerschaft. So etwas spricht mich an, das kommt meiner inneren Einstellung am nächsten. Bei der Wahl im Februar wurde ich schließlich zum Vorsitzenden des Fördervereins gewählt als Nachfolger von Sabine Streck, die das Amt nach vielen Jahren abgeben wollte.

Nun sind Sie Vorsitzender eines Fördervereins und sprudeln doch sicher schon vor Ideen, oder?

Ich habe festgestellt, dass man von der Bürgerstiftung leider bislang wenig hört und sie eher bei älteren Bürgern Anklang findet – das meine ich gar nicht vorwurfsvoll, aber da kann man mehr machen. Das verdient einfach mehr Aufmerksamkeit. Es geht ja darum, soziale, kulturelle oder ökologische Projekte direkt hier, in Villingen-Schwenningen und seinen Ortsteilen, zu fördern.

Also geht es Ihnen zunächst einmal darum, auch jüngere und neue Mitglieder und Gruppen für den Förderverein zu gewinnen?

Ja, das ist genau der Punkt. Ich würde jetzt loslaufen und werben. Ich habe den Flyer in der Tasche, aber wir brauchen auch digitale Wege. In den sozialen Netzwerken, etwa in Facebook, oder auf Instagram findet man von der Bürgerstiftung bislang noch gar nichts. Es geht also zunächst darum Mitstreiter zu suchen – ich würde mich freuen, wenn wir die Stiftung und den Förderverein auf eine breitere Basis stellen. Da können im übrigen auch juristische Personen, also beispielsweise Firmen, mitmachen. Aus anderen Städten kenne ich es so, dass auch Unternehmungen so eine Stiftung auf breiter Basis mittragen.

Aber wie gehen Sie dabei vor?

Ich nehme erstmal die noch vorhandenen Flyer und gehe los. Neulich war ich beispielsweise in Schwenningen Blut spenden und habe, während ich in der Reihe stand, ein paar Flyer verteilt. Dasselbe mache ich im Bekanntenkreis. Und es ist erschreckend: Viele kennen die Bürgerstiftung gar nicht. Wir müssen es hinbekommen, dass man die Bürgerstiftung kennt, Mitglieder suchen für den Förderverein, Spender suchen – Menschen, denen es so gut geht, dass sie anderen gerne etwas Gutes tun und spenden möchten. Vielleicht aber auch Menschen, die weggezogen sind, sich ihrer Heimatstadt aber verbunden fühlen. Da bietet sich eine Bürgerstiftung einfach an. Auch Zustifter werden wir suchen – Menschen, die keine Nachkommen haben, können hier auch tätig werden. Und ja, dann steht eine Bürgerstiftung im Zweifel auch mal im Wettbewerb mit den Kirchen oder anderen Einrichtungen. Aber gerade nach den Ereignissen der letzten Jahre sind viele Menschen auch auf der Suche nach alternativen, guten und auch regionalen Möglichkeiten ihr Erbe in gute Hände zu legen.

Was ist denn Ihre Startposition, wie hoch ist der Mitgliederstand aktuell?

Zu klein! (lacht) So um die Hundert, sage ich mal. Unterm Strich jedenfalls sind es für die Größe von VS einfach zu wenige Mitglieder.

Und das Ziel?

Mehr Mitglieder. Und mehr aktive Unterstützer. Und dass man hier in Villingen-Schwenningen mit der Bürgerstiftung und dem Förderverein ein Pfund hat, mit dem man auch in schlechten Zeiten wuchern kann.

Auch wenn die Möglichkeiten des Fördervereins, auf die später umzusetzenden Projekte einzuwirken, begrenzt sind: Verraten Sie uns doch mal, welche Ideen Sie so haben...

Es gibt ja neben dem Förderverein auch den Stiftungsrat, dem der Oberbürgermeister vorsteht. Mit all den Aktiven, die da seit Jahren involviert sind, möchte ich erst einmal Kontakt aufnehmen und hören, was deren Ideen sind. Ich habe Ideen, die aber dahingehend ausgerichtet sind, dass es um das Zusammenwachsen der Stadt geht. Darüber hinaus: Es gibt Kinder, die zum Beispiel nicht auf Klassenfahrt gehen können, weil die Eltern das dafür notwendige Geld nicht haben, sie werden ausgegrenzt, weil die 150 Euro für die Klassenfahrt oder der Jahresbeitrag für den Musikverein fehlen – dabei ist die Vereinsarbeit so wichtig und trägt auch zum Zusammenwachsen in Villingen-Schwenningen bei.

Aber gibt es hier nicht schon ganz viele Vereine und Organisationen, die an genau dieser Stelle einspringen? Kommt man sich da nicht ins Gehege?


Das will ich zusammen mit den anderen Mitstreitern nun eben überprüfen – was wird schon getan und von wem? Natürlich sollte man da nicht im Wettbewerb stehen – wenn ein Feld abgedeckt ist, dann gibt es noch ganz viele andere. Und in Zukunft sicher noch viele frische Ideen, die wir alle gemeinsam erörtern werden.

Wie das mit der Gemeinsamkeit funktioniert, steht für manchen sicher in Frage. Immerhin müssen dann der Stiftungsratsvorsitzende und Oberbürgermeister Jürgen Roth und Sie, der einstige Wahlkampfhelfer von Roths härtestem Konkurrenten im OB-Wahlkampf, Jörg Röber, plötzlich zusammenarbeiten... Ist das nicht eine besonders brisante Mischung?

(lacht) Überhaupt nicht! Ich habe Herrn Roth neulich auch von Herzen zu seinem Geburtstag gratuliert. Ich bin von meiner Persönlichkeit her so strukturiert, dass ich die Demokratie gut finde und mich über ein breites Bewerberfeld gefreut habe. Herr Roth wurde mit einigen tausend Stimmen mehr gewählt, das nehme ich so, wie es ist, und ich würde ihn als Oberbürgermeister immer unterstützen. Ich kann nur für mich sprechen: Das ist wirklich überhaupt kein Ding! Ich würde ihn als Oberbürgermeister immer unterstützen. Hier geht’s um unsere Stadt. Hier geht es um Villingen-Schwenningen. Oder wie sagt das Motto der Bürgerstiftung: "Ein Herz für VS".